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2024_11_22_Kaffekönig

Der Kaffee-König

Beitragsautor:

   Wolfgang Chr. Goede, DKF-Mitglied    Wissenschaftsjournalist München / Medellín 
    Alexis Goede *

     Für den Blog, im November 2024
  
     Alle Beitragsautoren des DKF-Blogs
     vertreten ihre persönlichen Ansichten.

     Alle Fotos (c) Wolfgang Chr. Goede

*) Alexis Goede ist Deutsch-Kolumbianer. Seine in Kolumbien erworbenen Praxis-Kenntnisse im Innovations-Tourismus, regionales Netzwerken und Entwicklungs-Kooperation verdichtet und ergänzt er derzeit theoretisch im Studium „Management Sozialer Innovation“ an der Hochschule München HM.

November 2024: Kolumbien schwelgt im Kaffee-Bonanza. Die Bohne erzielt Höchstpreise an der Börse. Wir stellen hier in Text, Foto, Video die „Kaffee Finca La Marquesa“ vor. Sie hat den Kaffee-Tourismus mitbegründet. Das ist ein wachsender Wirtschaftszweig, bei dem ein Hostel Pate stand – ein glückendes Beispiel privater Entwicklungszusammenarbeit. 

Das kolumbianische Hochland steckt in der diesjährigen Ernte der Kaffeebohnen. Von ganz Jung bis ganz Alt, alles wuselt an den Hängen zwischen den Kaffeestauden herum und pflückt wie vor Hunderten Jahren jedes Böhnchen per Hand. Keine Maschine wurde je für diese Fleißarbeit erfunden. Dafür brauchen die Erntehelfer nicht nur ein prima Stehvermögen an 60-Grad-plus Steillagen, sondern sind der sengenden Tropensonne ebenso ausgesetzt wie sintflutartig anschwellendem Regen des Tropenwinters.

Der Rohstoff: die noch grüne … +++ La materia prima: el café aún verde ……
und die reife rote Kaffee +++ … y la cereza roja madura del café.

Kaffee-Börse „dollarish“

Aber, die momentane Kaffeekonjunktur ist super, die Kurve an der New Yorker Börse zieht weiter nach oben, liegt derzeit bei zweieinhalb Millionen Pesos pro 125 Kilo: 555 US-Dollar, viel „Kohle“ für Kolumbianer. „Dollarish“, im „Dollar-High“, freut sich ein Kaffeebauer in San Jerónimo/Los Cedros, der seine Ernte wie fast alle seine Nachbarn auf Planen fast über die gesamte Straße ausbreitet, um die Bohnen so rasch wie möglich zu trocknen und bei den Kaffeegenossenschaften für Cash abzuliefern.

Kaffeepreis in New York – Goldstandard Kolumbiens, sein „schwarzes Gold“

Kaffeepreis in New York – Goldstandard Kolumbiens, sein „schwarzes Gold“

Eine der größeren Kaffeeplantagen im Los Cedros Umland ist die von Don Reinaldo. „La Marquesa – Finca Cafetera“breitet sich über einen Berghang in über 2000 Höhenmetern aus. Die schmucken Campesino-Wohnhäuschen sind umringt von den Kaffeepflanzungen und diversen Anlagen zur Verarbeitung. Zur Ausstattung gehören auch ein Pferd, besonders ein Esel, in diesen unwegsamen Berglagen für den Kaffeeabtransport unentbehrlich. Die ganze zehnköpfige Familie arbeitet auf der Kaffee-Finca und kann gut von den Erlösen leben.

Die Marquesa-Kaffeebauer-Familie mit Kaffee-Touristen. Rey jun. und Rey sen. (†) mit hellen Strohhütten, rechts

Die Marquesa-Kaffeebauer-Familie mit Kaffee-Touristen. Rey jun. und Rey sen. (†) mit hellen Strohhütten, rechts

Der erst kürzlich mit über 80 Lebensjahren verstorbene Vater Reinaldo Senior hat die Kaffeeplantage gegründet. Er war ein angesehener Bürger, bis zuletzt ein eifriger Tänzer und großer Geschichtenerzähler. Bei der Trauerfeier im zehn Kilometer entfernten San Jerónimo unten im Tal füllte sich San Jerónimos stattliches Gotteshaus mit Hunderten Menschen zum letzten Geleit. Drei „Chivas“, Kolumbiens bunte offene Lastenbusse, fuhren Nachbarn in den Ort hinunter.

Kaffee-Labor

Reinaldo Zapata Junior oder Rey – „König“ –, wie ihn alle nennen, hat ein sehenswertes Video(Marquesa Kaffee Finca Video)gedreht , in dem er diese in die Steilhänge Antioquiens sich schmiegende Kaffeeregion 50 Kilometer nordwestlich von Medellín vorstellt. Darin vermittelt er die raue Schönheit, die urwüchsige Topografie seiner andinen Heimat zusammen mit der Kunst und dem Handwerk des Kaffeeanbaus. Einen besonderen Platz darin hat der neue Kaffeetourismus. Er erwähnt das „Hostal la Finca“, das in den 2010er Jahren über tausend Rucksackreisende aus allen Kontinenten in diese ferne Ecke Kolumbiens lockte. Eines der Highlights war der Besuch auf der „Marquesa“.

Der „Marquesa Kaffee-König“ Rey mit seinen Kaffee-Produkten, gelb der begehrte“Marquesa Honig-Kaffee“

Der „Marquesa Kaffee-König“ Rey mit seinen Kaffee-Produkten, gelb der begehrte“Marquesa Honig-Kaffee“

Der Besucherstrom machte Marquesa-Kaffee populär, die Reisenden trugen den Namen in alle Welt, öffneten neue Vertriebskanäle. Das alles spornte Rey & Familie dazu an, mit neuen Kaffee-Kreationen zu experimentieren, etwa einer exklusiven Honig-Variante und einem Kaffee-Limo Mix. Vom nordisch-subarktischen Schweden bis Downunder-Australien drang der Ruf der Marquesa-Bohne, erklomm Präsenz in den sozialen Medien, sogar Leitmedien.

Zeitloser Kaffee-Klassiker, auch auf der Marquesa Kaffee Farm: der Capuccino +++ Un clásico atemporal del café, también en la Marquesa: el cappuccino
Marquesa-Special exclusiv: derCafé-Limo-Cocktail, erfrischend-peppig-lecker +++ Especial exclusivo de la Marquesa: el cóctel café limo, refrescante y sabroso

Derweil Rey noch viel Innovatives im Ideen-Köcher für seinen „Café artesanal“ hat. Das ist sein Kunstwort für den handverlesenen und handgearbeiteten Kaffee aus seiner Kaffee-Manufaktur, man könnte auch Labor sagen. Ist Kaffeetrinken doch Mega-Kult in aller Welt und weiterhin offen für neue Kaffeeprodukte und neues Kaffeewissen. Mit anderen Worten: Not money, coffee makes the world go round.

Don Reinaldo erklärt einer Besuchergruppe die Kaffeeproduktion +++ Don Reinaldo explica la producción de café a un grupo de visitantes.
Touri Highlight – Kaffee Pflücken und -Rösten, auch in der Pfanne +++ Punto turístico destacado: la recolección del café y el tostado del café, también trabajos en la sartén

„Arabica“ Wunder

Die Heimat der Kaffeebohne ist Äthiopien. Arabische Händler brachten sie im 16. Jahrhundert ins Osmanische Reich. Dort verbreitete sich der Kaffee als beliebtes Getränk rasch in den Metropolen. Von Istanbul gelangte es im 17. Jahrhundert nach Europa. Wiens berühmte Kaffeehäuser waren „Brüter“ europäischer Kultur. Durch die Kolonialmächte Holland, Frankreich, Portugal gelangte Kaffee im 18. Jahrhundert nach Südamerika.

Wegen idealer Anbaubedingungen in den Höhen der Anden wurde er in vielen Ländern, darunter Kolumbien, zum Anker der Nationalökonomien. Und ist bis heute infolge der weiterhin steigenden Kaffeenachfrage „King“ auf den Weltmärkten. Der „türkische Mokka“, pur oder gefiltert, war bis zur Erfindung der Hightech-Kaffee- und Espresso-Maschinen das Mittel der Zubereitung. Der Mann und die Frau an der Kaffeebar, der „Barista“ und die „Bariste“, sind mittlerweile Stars, wie Sterne-Köche hofiert. Die ursprüngliche Bohne, „Arabica“, bleibt eine der begehrtesten – Wunder pflanzlicher Migration und Adaption.

Die Prozessierung des Kaffees erfolgt in drei Schritten: Nach dem Pflücken kommt das Schälen der Bohne, also Entfernen der roten Fruchthaut (die den meisten Kaffeeliebhabern unbekannt ist); im Anschluss daran der Waschvorgang, nach dem eine hellbraune Bohne zurückbleibt. Schließlich das Trocknen, meist auf dem Boden in der Sonne. So entsteht der im Fachjargon genannte „Pergamino“. Das Rösten erfolgt dann erst nach dem Abtransport und Export. Wer aus dem Rohkaffee vor Ort einen Trank brauen möchte, nimmt fürs Rösten die Bratpfanne zur Hand. Anders als das Handling anderer Agrarprodukte ist das Ganze übersichtlich, unverderblich, fürwahr kein Hexenwerk.

Peanuts für Kaffee-Pflücker

Kaffee ist eines der wichtigsten Elixiere des arbeitenden Menschen. Und rundum viel gesünder, als man dem „Türkentrank“ lange zubilligte. Trotz dieses hohen Ranges gehört er im Welthandel zu den traditionell unterdotierten Produkten, das Schicksal aller Rohstoffe in unserem Wirtschaftssystem, in dem der Globale Süden der Underdog ist. Die Preise an den Börsen steigen, wie derzeit, und stürzen ab, machen aus jeder Ernte ein Lotteriespiel. Derzeit sind viele Kaffeekirschen noch grün und unter den Kaffeebauern breitet sich Nervosität aus, ob die Preise bis Dezember durchhalten …

Im internationalen Kaffee-Kommerz verdient der Zwischenhandel stets am besten. Während die Plackerei bei der Ernte quasi nur Peanuts einbringt. Für einen Eimer mit einem Kilo Bohnen erhält der Pflücker 1000 Pesos, das sind gut 20 Cent. Die Geschicktesten und Erfahrensten bringen es pro Tag auf 100 Eimer, 20 Euro. Wenn das Wetter gestattet. 150 bis 200 Eimer sind der absolute Rekord.

Den Verdienstmargen sind enge Grenzen gesetzt, nicht nur Pflückern, sondern auch Kaffeebauern. Die Pflege der Kulturen ist arbeits- und kostenaufwändig. Düngemittel und Schädlingsbekämpfungsmittel bedeuten hohe Fixkosten. So lohnt sich der Kaffeeanbau oft nur für Familienunternehmen wie der Marquesa-Finca, wo vom Enkel bis zur Oma alle mit anpacken, bedrängt aber zunehmend von den Konzernen im Big-Coffee-Biz. So wie in der übrigen Agrarwirtschaft die tonangebende Zukunft.

Nord-Süd Modell

Daher das Narrativ, die Botschaft, der Zuruf, an alle Deutschen, Kolumbianer, Kaffeetrinker der Welt: Kauft und genießt „Fair trade Coffee“ und Kaffee von Manufakturen á la Marquesa – bei dem bleibt ein größerer Anteil der Erlöse bei Bauern und Pflückern hängen! Eine beispielhaft inklusive Form nicht-staatlichen Global Nord – Global Süd Austauschs und gegenseitiger Unterstützung.

Rey mit Alexis Goede, ehemaliger Betreiber des „Hostal la Finca“. Jenes brachte den Torismus in die Nachbarschaft und verhalf dem Kaffee-Tourismus auf die Beine

Rey mit Alexis Goede, ehemaliger Betreiber des „Hostal la Finca“. Jenes brachte den Torismus in die Nachbarschaft und verhalf dem Kaffee-Tourismus auf die Beine